Wem gehört die alte WU? Wer entscheidet über ihre Zukunft?
Die alte WU gehört uns allen, denn sie gehört der Republik Österreich. Das Grundstück ist im Eigentum der ÖBB und das Gebäude wird von der Bundesimmobiliengesellschaft BIG verwaltet. Die BIG ist eine Tochter der Österreichischen Beteiligungs AG ÖBAG. Diese ist Alleingesellschafterin der BIG und gehört wiederum selbst zu 100% der Republik. Die BIG ist also ein Verwaltungs- und Dienstleistungsunternehmen, das im Auftrag des Staates agiert. Die Zukunft von öffentlichem Eigentum bedarf einer öffentlichen und transparenten Debatte, die die Allianz alte WU hier einfordern und vorantreiben will. Die Stadt Wien, die Universitäten und die BIG haben dies bisher verabsäumt.
Auf welcher Entscheidung basiert der Entschluss zum Abbruch?
Die Grundlagen zu dieser Entscheidung sind gänzlich intransparent.
Im Auftrag der BIG wurde eine Machbarkeitsstudie 2021/2023 zur alten WU erstellt, die Entscheidung zum Abbruch dürfte jedoch bereits 2013 gefällt worden sein. Ob in dieser Machbarkeitsstudie die Nachnutzung des Bestandes je eingehend und zielgerichtet evaluiert wurde, ist nicht bekannt. Die Ergebnisse der Studie wurden bislang nicht herausgegeben. Lediglich zwei Seiten aus der Studie wurden der Allianz alte WU durch die BIG gezeigt, sie tragen den Titel “Studie Neubebauung”.
Abbruch und Klimakrise – wie geht das zusammen?
Zukunftsfähiges Bauen ist mehr als grüner Neubau. Abriss ist ein veralteter Umgang mit Bestand. Das Entwicklungskonzept für die alte WU ist daher grundlegend neu zu denken, denn es widerspricht den aktuellen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatten zum Klima- und Umweltschutz.
Der geplante Abbruch eines funktionsfähigen Gebäudes ist eine maßlose Verschwendung von Ressourcen. Bestandsgebäude sind bekanntermaßen riesige CO2 Speicher, da sie große Mengen an grauer Energie enthalten. Bestandserhaltung ermöglicht die Schonung unserer limitierten Ressourcen, reduziert den CO2 Ausstoß und vermeidet enorme Mengen an nicht recyclingfähigem Abbruchmaterial. Erhalt und Transformation des Gebäudes könnten dieses zu einem Vorzeigeprojekt für einen zukunftsfähigen und klimagerechten Umgang mit Bausubstanz machen.
Die Baubranche ist ein enormer Treiber in der menschengemachten Klimakrise. Wo bleibt also ein behutsamer Umgang mit dem Bestand, der instand setzt und repariert, umnutzt und umbaut, anstatt abzureißen und neu zu bauen?
Ist die alte WU aus architektonischer Sicht erhaltenswert?
Die modernistisch anmutende Fassade der 70er und 80er Jahre darf man mögen oder auch nicht. Bestandserhaltung ist jedoch keine Frage der Ästhetik. Die Architektur dieser Zeit hat viele Qualitäten und soll, ebenso wie die Bauten anderer Epochen, wertschätzend betrachtet werden. Auch sie soll in unserem Stadtbild präsent bleiben. Für Gebäude der Gründerzeit herrscht weitestgehend Konsens darüber, dass diese Bestände erhaltenswert, sanierbar, transformierbar und erweiterbar sind. Diese Haltung muss auch der alten WU entgegengebracht werden.
Die Alte WU ist eine großzügige und räumlich qualitativ hochwertige Gebäudestruktur. Sie ist eine offene Stadtlandschaft. Durch die “Zwischennutzung” in den letzten Jahren sind sozial gewachsene Strukturen entstanden, die das Gebäude sinnstiftend und gemeinwohlorientiert nutzen.
Es ist nicht das Ziel die alte WU wie ein Denkmal zu behandeln, denn sie weißt aus heutiger Sicht einige Mängel auf. Räume mit nicht ausreichender Belichtung und auch andere Schwachstellen bedürfen eines Umbaus. Der Parkhaussockel und Einfahrten in das Parkhaus bedürfen etwa einer Umstrukturierung zugunsten eines hochwertigen Stadtraums mit Aufenthaltsqualität. Die autozentrierte Planungsidee ist nicht mehr zeitgemäß. Sie folgt einem bereits historischen Verständnis von Stadtplanung. Wir sagen daher, ja zur Transformation!
Wie eine solche gelingen kann, haben zahlreiche innovative Beispiele in der Vergangenheit bereits gezeigt.
Ich habe gehört, die alte WU sei asbestbelastet. Ist da etwas dran?
Die BIG hat Untersuchungen zu diesem Thema in Auftrag geben lassen, doch die Ergebnisse der Studie wurden bisher nicht im Detail veröffentlicht. Laut mündlicher Aussage der BIG ist das Ausmaß der asbestbelasteten Bauteile hoch, es handelt sich um fest gebundenes Asbest. Auch die Stahlbetonbauteile sind aufgrund der asbesthaltigen Abstandhalter in Decken und Wänden betroffen.
Das Vorhandensein von fest gebundenem Asbest fordert einen sehr sorgsamen Umgang mit dem Bestand. Der größtmögliche Erhalt der Bausubstanz ist auch aus diesem Grund anzustreben.
Auf diese Weise kann die Deponierung von nicht wiederverwendbarem und gesundheitsgefährdendem Bauabfall vermieden werden, denn für Asbest besteht ein Recyclingverbot.
Asbest, das in Bauteilen fest gebunden ist, ist unproblematisch für die Nutzer:innen. Problematisch sind jedoch Umbau-, Abbruch- und die aufwendigen Entsorgungsarbeiten. Auf den Deponien bleibt dieses gesundheitlich gefährliche Material dann dauerhaft, ein Problem für künftige Generationen. Der Abbrucharbeiten müssen daher auf ein Minimum reduziert werden.
Gibt es Probleme mit der Statik?
Der allgemeine Zustand des Gebäudes ist Untersuchungen der Projektentwickler*innen zufolge gut. Die Ergebnisse der statischen Studien, die zum Teil schon seit über 10 Jahren vorliegen, sind nach wie vor nicht öffentlich einsehbar. Gleiches gilt für neuere Studien, wodurch eine transparente, öffentliche und demokratische Debatte zur Zukunft des Gebäudes verhindert wird.
Wir möchten an dieser Stelle aus dem Dokument “grobes Leitbild Entwicklung Althangrund” zitieren, das zwischen 2012 und 2014 entstand:
“Das wesentlichste Ergebnis der statischen Expertise ist, dass sich die „Platte“ grundsätzlich in gutem baulichem Zustand befindet und diese nur im Falle der Errichtung von höheren Gebäuden […] durch partielle zusätzliche Stützen verstärkt werden müsste” (S.30)
Und weiter heißt es: “Deshalb kann die Tragkonstruktion als Basis für eine künftige Bebauung genutzt werden. Auch das Einziehen weiterer Stützen sowie Verstärkungen der Fundamente bei Errichtung höherer Gebäude und zur Erfüllung von Eurocodes (z.B. zur Herstellung der Erdbebensicherheit) ist möglich.” (S.56)
Als „Platte“ wird hier jene Stahlbetondecke bezeichnet, die sich direkt über den Bahngleisen befindet. Um den Zugverkehr nicht einzuschränken, darf diese nicht abgebrochen werden.
Wer würde von einem Neubau profitieren? Wer von einer Transformation?
Sanierungs- und Umbauvorhaben wird standardmäßig entgegengehalten, dass sie kompliziert und unwirtschaftlich sein und daher nicht umsetzbar wären. Ein Pauschalurteil ist jedoch nur schwer möglich. Zahlreiche gelungene Beispiele beweisen das Gegenteil.
Neubau ist ein lukratives Vorhaben für Baufirmen und Rohstoffproduzentinnen.
Wir plädieren dafür, dass nicht nur Wirtschaftlichkeit und Kostenaspekte Grundlage der Projektentscheidung sein dürfen, sondern unbedingt auch gesellschaftliche und ökologische Parameter herangezogen werden müssen. Neubau bedient Interessen von Wirtschaftstreibenden. Abbruch befeuert die Klimakrise. Transformation ist die Antwort auf einen zukunftsfähigen Umgang mit Bausubstanz. Es ist längst an der Zeit, diesen Zugang zu erproben.
Wäre ein Neubau hinsichtlich Energieeffizienz nicht nachhaltiger?
Neubauten mit hohen Energie- und Umweltstandards können am Papier eine sehr gute “Performance” aufweisen. Nachhaltigkeit darf jedoch nicht auf gute Gebäudekennwerte reduziert werden, sondern muss die gesamten Umweltauswirkungen im Blick haben. Der Bausektor verbraucht EU-weit die Hälfte aller neu gewonnenen Rohstoffe, die Hälfte des Gesamtenergieverbrauches und damit 40% der Treibhausemissionen sowie ein Drittel des Wasserverbrauches. In jedem Bestandsgebäude stecken also enorme Mengen an grauer Energie. Sprechen wir über Klima- und Umweltschutz, brauchen wir ein radikales Umdenken in der Baubranche. Es ist längst an der Zeit, die sich wiederholende Logik von Abbriss und Neubau neu zu denken. Für die alte WU heißt das, keinen “Ersatzneubau” zu planen, sondern den Lebenszyklus des Gebäudes zu verlängern. Das ist möglich, indem wir das Gebäude in seiner Nutzung transformieren und die Bausubstanz umbauen, sanieren und reparieren, wo dies nötig ist. Das verstehen wir unter Nachhaltigkeit und zukunftsfähigem Bauen.
Welche Nutzung soll die alte WU künftig haben?
Das alte Universitätsgebäude soll laut aktuellen Plänen der BIG abgebrochen werden, damit ein Gebäude mit gleicher Nutzung, für BOKU und Uni Wien, sowie eine Schule gebaut werden können. Warum diese Nutzungen in einem bestehenden Bildungsbau nicht möglich sein sollen, ist nicht nachvollziehbar. Eine Adaptierung des von den Projektentwickler*innen geplanten Raumprogrammes, angepasst an das Gebäude und sein mögliches Nutzungsvolumen, wäre ein logischer und sinnvoller Zugang, um den Bestand zu erhalten.
Wir fordern, das Raumprogramm an das Gebäude anzupassen und nicht, wie derzeit geplant, das Gebäude an das Raumprogramm anzupassen, denn dies bedeutet Abbruch. Die weitere Nutzung als Bildungsbau ist zu begrüßen, die geplante Monofunktionalität ist jedoch zu hinterfragen.